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Sonntag, 4. Oktober 2009

LESESTOFF
Gefällt's euch, was es zu lesen gibt? Es wird mehr werden, versprochen. In den nächsten Tagen werde ich prämieremäßig eine neue Geschichte veröffentlichen. Stück für Stück. Titel: Rauchen kann tödlich sein. Hier schon mal was zum Anlesen:
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Sie mochte es vielleicht glauben, aber Hyacinthe war nicht der Auslöser. Ebenso wenig, wie ihre Verführungskünste mich locken konnten nach der Fiesta, konnten sie mich vertreiben. Ich wollte ganz einfach ich sein, und da die meisten Menschen das nicht verstehen, versuchen sie Netze zu schlingen. Können sie jemanden nicht fangen, knüpfen sie Verbindungen in ihren Vorstellungen. Um etwas zu haben, an dem sie sich festhalten können. Nur sie allein.
Hyacinthe wollte sich an mir festhalten, und damit wollte sie mich einschlingen in das Netz ihres Verständnisses der Welt. Ich war es, der etwas anderes wollte. Egal, was sie später einmal darüber erzählen würde. Das war mir ebenso gleichgültig, wie ihre Wünsche, die mich weit nach Mitternacht in aller Heimlichkeit in ihr Bett locken sollten.
Dabei ritt ich doch schon auf einem Blitz, und die Nacht schlug helle Funken. Ich wähnte mich auf der sicheren Seite. Sturzbetrunken wie ich war, explodierte das Feuerwerk zwar nur in meinem Kopf, aber was sollte schon passieren, solange es Licht gab?
Licht ist der Anfang von allem.
Das Ende, den Tod, verbinden wir mit Nacht und Finsternis, das Leben mit dem Tag.
Wer aber weiß schon wirklich Bescheid?
Alles Wissen stammt aus der Erfahrung, und so wird uns auch das um den Tod erst mit dem eigenen Ableben zuteil.
Vor mir her raste dieses getriebene Heulen, weil der Motor immer wieder im Leerlauf hochdrehte. Die verdammte Mietkiste hatte ein defektes Getriebe und der Schaltknüppel sprang so heftig in meiner Hand hin und her, dass sie schmerzen müsste. Doch wie mein Kopf, in dem sich die Schwefelwolken des Feuerwerks ausbreiteten, waren auch meine Hand und der Rest von mir in schützenden Nebel gehüllt. Nebel, der aus dem Dunst der Rotweinberge dieser Insel im vorigen Herbst gekeltert worden war, und alles blieb mild und gedämpft und leicht.
NEUE LITERATUR
Eine neue kleine Geschichte findet ihr hier. Zumindest den Anfang davon ;-)
LILITH

Donnerstag, 1. Oktober 2009


LILITH

I
Nur was wir einmal wussten, konnten wir vergessen. Was wir vergaßen, daran können wir uns erinnern.
Manchmal erinnern wir uns nicht mehr daran, dass wir etwas gewusst haben. Wir haben es nicht nur vergessen, sondern sogar vergessen, dass wir es vergessen haben. Schlimmer. Wir haben es verdrängt.
So war es mit Lilith. Ich hatte versucht mir einzureden, dass es sie nicht gab, dass es sie nie gegeben hatte, nie gegeben haben konnte. Bis zu dem Moment, in dem sie vor mir stand. Ihre Existenz, was sie mir bedeutete, hatte ich einfach verdrängt. Weil ich sie nicht vergessen konnte.
Da stand sie. Und lächelte. Lächelte, sah mich an mit ihren großen, klaren Augen und stand vor mir. Ihr Lächeln wärmte mich, die nach oben gebogenen Mundwinkel wiedererweckten einen Traum, zogen mich an, unwiderstehlich. Ein Licht schien auf, fern und leis, mehr geahnt als gesehen. Wie sollte ich mich fühlen? Eine Wand schob sich vor das kleine Licht, dahinter, hinter der Wand aus Hilflosigkeit und Trotz, verbarg ich meine Reaktion. Vielleicht war es Feigheit? In diesen Sekunden wusste ich es nicht. Nichts wusste ich in diesen Sekunden.
Die Reaktion wollte sich nicht länger verstecken, oder konnte es nicht. Ich gab dem Impuls nach und tat, was allein richtig war. Mit zwei Schritten überbrückte ich den Raum zwischen uns und nahm sie in die Arme. Hielt sie fest, ohne Druck, voller Nachdruck. Hielt sie fest, hielt mich an ihr fest, wie sie sich an mir. Irgendwann setzte im Halbdunkel meines Kopfes ein erster, zaghaft flackernder Gedanke ein: Bitte, lass es nicht wieder vorbei sein!
„Du bist zurück“, flüsterte ich an ihrem Ohr, um etwas zu sagen.
Sie antwortete schweigend, zog mich enger an sich, wollte in mir verschwinden, ganz und ganz.
Ich spürte ihren Herzschlag auf meiner Brust klopfen, konnte ihn hören, tief in meinem Innern, kräftig und blutvoll. Das Echo der Stimme meines eigenen Herzens. Und umgekehrt. Sie sprechen jedes seine eigene Sprache, unsere Herzen. Der Refrain ist es, der immer gleich ist und dadurch den Gleichklang schafft; neue Dimensionen erschafft. Wenn wir uns füreinander öffnen. Das Wagnis eingehen, nackt dazustehen. In wahrer Nacktheit, die auch die Kleider nicht verdecken kann. In unserer Ursprünglichkeit, in dem, was uns als Erbe geschenkt und anvertraut ist.
Wir wurden vor langer Zeit schon für würdig befunden, könnt ihr euch erinnern? Dazu wurde uns großes Vertrauen geschenkt. Groß? Grenzenlos! Ist es das nicht, ist es kein Vertrauen. Dann ist es nur ein Maß an Erwartung, das man dem anderen vorschreibt. Wie ehrlich ist das?
„Ich habe dich vermisst“, sagt sie.
Jetzt kann ich nur schweigen. Ihre vier Worte klingen in mir wider, wieder und wieder, viel zu schön, als dass ich ihre Melodie unterbrechen möchte.
Ich atme den Duft ihrer Haut, nach und nach füllt er mich aus. Mit jedem Luftholen verstärkt er sich, blüht auf in der Wärme der gehauchten Küsse, die ich in ihrer Halsbeuge versenke.
Ein Schauer regnet über ihren Rücken, sie seufzt. Wir stehen und halten uns fest. Können uns nicht loslassen. Wollen es nicht.
Lass es nie mehr vorbei sein!


Mein Erwachen schneidet sich in die Bilder, schneidet sie entzwei. Zersplittert sie in Steinchen, bunt und glänzend, lässt alles in die ungezählten Teile eines Puzzles zerspringen, das sich dem Ganzsein entzieht durch unrettbare Vereinzelung. Nichts passt mehr, nichts kann je wieder passen.
Ich stürze. Nicht vom Paradies hinab in die Hölle, oder noch tiefer. Nein. Ich rutsche lediglich aus auf der Eisbahn meiner Träume und komme hart auf dem felsig rauen Untergrund der Täglichkeiten meines Lebens auf. Ich komme zurück aus meinen Träumen. Oder ist es so, dass ich zurückkomme in einen Traum?
Das Bett neben mir erwacht genauso unbenutzt wie gestern Morgen. Unbenutzt wie immer. Wovon mag es geträumt haben?
Die Luft um mich herum ist kein Gemisch. Sie ist angefüllt mit mir, steht im Raum, schwebt über mir, zwischen mir und der Zimmerdecke. Das ist zu wenig. Um fließen zu können, muss die Luft sich mischen, mein Atem mit dem eines anderen Menschen. Gemeinsames Fließen, erst das ist Leben.
Im Spiegel neben dem Bett liegt Lilith neben mir. Vor dem Spiegel bin ich allein. Sie ist es dahinter, ich kann sie nicht berühren in diesem Tagtraum.
Ich bin allein, wie jeden Morgen. Wie immer. Das ist zu oft.

Sie hob nur kurz den Kopf, als ich blinzelnd aus dem Schatten trat, und steckte ihn wieder mit den anderen zusammen. Was mochte sie über uns erzählen? Oder behütete sie unsere Geheimnisse ebenso wie ich?
Eng umschlungen tanzte der leichte Windhauch mit den Sonnenstrahlen, und wer wollte sagen, ob die Wärme das Gras unter meinen nackten Füßen aus der Erde lockte, oder Durst es schon wieder klein machte. Der Sommer schwoll mit aller Kraft an, die ihm das Frühjahr mitgegeben hatte.
An einen rohen Pfahl gelehnt lauschte ich dem Summen der Bienen im Kräutergarten hinter mir und dem lautlosen Klappern bunter Schmetterlingsflügel.
Unsere Blicke hatten sich kurz getroffen, jetzt musste ich warten.
Geheimnisvollen Mustern folgend schossen Schwalben unter dem weit gespannten Himmelstuch dahin, als wollten sie Tücher weben für das neue Leben künftiger Tage.
Viel zu selten war ich hier, viel zu knapp immer die Zeit. Dabei war hier das Leben näher als dort, wo ich lebte. Es wurde mir bewusst, sobald ich mich ihr näherte, und ich vergaß es wieder, sobald ich fort war. Können wir jemals die Zyklen verstehen, die uns durch unser Dasein tragen?
Ich nahm einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche und spürte darin das Plätschern des kleinen Baches, aus dem ich sie gefüllt hatte. Es schmeckte wie ein Stück Waldschatten.
Nachdem ich den Rucksack wieder geschnürt hatte, wollte ich ihr zum Abschied noch einmal still winken, bis zum nächsten Mal dann eben. Sie nickte, schob sich zwischen ihren Freunden hindurch und kam auf mich zu.
Ich hielt ihrem Blick stand, bis mir schwindelig wurde.
Vertrautheit und Vertrauen. Wenn wir ihm endlich begegnen, verschlägt es uns den Atem.
Nichts geht tiefer, als ihr in mich versenkter Blick.
Ich streckte die Hand aus, wollte sie endlich ganz nah bei mir haben, sie berühren, sie fühlen. Sie ließ mich wieder warten. Wieder war es nicht an mir, zu ihr zu gehen, auch nicht dieses Stück. Sie würde es nicht dulden.
Dann lag ihr Kopf auf meiner Schulter. Ihr Haar rieselte dicht durch meine Finger, wieder und wieder, fest und sonnenwarm. Unter der Haut an ihrem Hals pulsierte das Blut, auch dort lebte die Wärme.
Da war wieder die Erinnerung, alt wie Bilder aus Kindertagen, ein Traum, den man geträumt hat und vergisst, wenn man erwacht. Er flüchtet in die Illusion, nachdem er in der Nacht unsere Wirklichkeit war.
Dieses Sehnen in mir hatte es immer gegeben, den Wunsch nach Geborgensein und Vertrautheit. Nach wortlosem Verstehen und Verständnis. Alles, was gesagt werden könnte, konnte ungesagt bleiben in der Gewissheit, dass jeder vom anderen alles wusste. In dem Moment, in dem die Blicke sich fanden.
Worte können alles zerstören in dieser Welt, und sie lassen Vertrauen sterben. Aber sie können es nicht erzwingen oder neu erschaffen, sobald es einmal verloren ging. Vertrauen erwächst aus dem Gefühl heraus, zu Hause zu sein.
Vertrautheit entsteht aus Schweigen. Vertrauen wächst auf dem unbebauten Feld.
Doch zu träumen allein reicht nicht, um gesund zu bleiben in Herz und Seele.
Der Mensch muss sich reiben an seinen Begegnungen, und seine Vorstellungen von der Welt an dem, was sich die Welt von ihm vorstellt. Es gibt einen Entwurf im Innern, in den es hineinzuwachsen gilt.
So wie die Jahreszeiten das Wachsen unterstützen, machen sie es auch stark, indem sie es herausfordern. Der Regen des Frühlings bringt das im Winter eingefrorene Leben zurück und nährt das Wachsen. Der Sommer trocknet die Blüten zu Früchten, denen die Sonne ihre Süße schenkt, damit im Herbst geerntet werden kann, Jahr um Jahr. Im Winter schläft alles, was nicht erfriert, in der klirrenden Kälte. Was die Frühjahrsstürme nicht ausreißen, was die Sommersonne nicht verdorren lässt, der Herbst nicht verwirft, indem er es vorzeitig von den Ästen fegt, und es am Boden verfault, das wird wieder Ernte bringen, mehr als in den Jahren zuvor. Was sich reibt in den Rhythmen der Tage und Nächte, sich nicht aufreiben lässt in den Schwingungen des Lebens, das ist das, was durch jeden Zyklus geht, um neugeboren zu werden. Und mit jeder Geburt stärker zu sein.
Ich lauschte dem warmen Gesang unter ihrer Haut, versuchte zu ergründen, wie viele Zyklen sie schon durchlaufen hatte in diesem Leben. Doch ihr Blut sprach seine eigene Sprache. Es war gut, hier zusammen zu schweigen.
Zwei ihrer Gefährten hatten sich neugierig genähert. Als wir uns nicht stören ließen, gingen sie ihrer Wege, und respektierten so unseren Wunsch nach Alleinsein zu Zweit.
Wo bleiben unsere Träume aus Kindertagen?
Bis zu diesem Augenblick hatte sich mein Traum von Vertrauen und Vertrautheit versteckt in mir, wie nie da gewesen. Ich erinnerte mich nicht einmal daran, ihn geträumt zu haben.
So ist es mit dem Plan von uns selber. Wir kennen ihn, sonst hätten wir uns nicht auf den Weg machen können. Der Entwurf ist das Ziel, ohne das es keinen Weg gibt. Wir vergessen es mit der Zeit, vergessen, warum wir uns auf den Weg gemacht haben. Irgendwann stolpern wir einfach weiter. Wo wollen wir ankommen, wenn wir nicht wissen, dass es ein Ankommen gibt?
Ihr Kopf wurde schwer, doch ich blieb stehen ohne mich zu regen. Nur mein Atem bewegte sich, ruhig jetzt und tief und friedlich. Der dichte Duft ihrer Haut strömte in mich, alles war gut. Ich hielt aus, denn wie können wir wissen, wann es ein Wiedersehen gibt? Diese Minuten sollten in meiner Erinnerung lebendig bleiben, so, wie sie durch den Sommertag flossen.
Plötzlich stieß sie mich fast zur Seite. Einen Schritt entfernt waren da wieder nur ihre Augen. Grenzenlose Tiefe und Vertrautheit. Ihr letztes Nicken wie eine leichte Verbeugung, gemächlich schritt sie zurück und mischte sich unter ihre Gefährten. Bereits in diesem Weggehen vermisste ich sie.
Das Rascheln im Gras hinter mir ließ mich wiederum wie aus einem Traum erwachen, aber diesmal nahm ich alle Erinnerungen mit.
„Du triffst dich mit einer anderen“, sagte Ela, „kaum dass ich weg bin?“
Sie zog ihre Hand weg, als ich danach greifen wollte.
„Ich kenne sie schon so lange“, sagte ich.
„Dann ist es also okay, weil sie eher da war als ich?“
„Das hier“, ich wies nach hinten, wo sie immer noch stand in der Gruppe, neugierig, was wohl hier gerade passierte, „ist doch ganz etwas anderes.“
„Komisch nur, dass sie so schnell verschwunden ist, als ich auftauchte.“
„Sie hat schon immer gemacht, was sie will.“
„Seit wann stehst du denn auf so was?“
„Manche Beziehungen funktionieren nur, wenn man sich aneinander anpasst.“
Sie wischte die Haare aus der Stirn, die der Wind ihr immer wieder in die Augen wehte. Sonnenstrahlen blitzten in ihren Pupillen wie Klingen. Lautlos fochten wir mit unseren Blicken.
„Na komm schon“, versuchte ich es noch einmal, „du weißt, dass das für unsere Beziehung nichts zu bedeuten hat.“
Ela ließ den Blick nicht von ihr. „Ich will sie kennen lernen!“
„Was?“
„Wenn es so sein muss, will ich es wenigstens verstehen.“
Die Andere war in der Menge untergetaucht, war nur noch ein Stück von hinten zu sehen. „Dann müssen wir bis zum nächsten Mal warten“, sagte ich, „zweimal an einem Tag kommt sie nie.“
„Du kennst sie besser“, wandte sich Ela schließlich ab. „Und wenn es nicht anders geht, dann eben beim nächsten Mal. Versprochen?“
Ich nahm sie in die Arme und hielt sie fest. Das Sonnenlicht prickelte über unsere Haut, und es wurde Zeit für uns. Hand in Hand gingen wir durch das Gras, das unsere Waden bis zu den Knien umspielte.
„Hast du gesehen“, fragte ich und sah über die Schulter zurück, „dass sie eine herzförmige Blesse hat?“
Ela nickte und lächelte zum ersten Mal wieder. „Habe ich“, sagte sie. „Und ein bisschen kann ich dich ja jetzt schon verstehen, wirklich. Sie ist die schönste schwarze Stute, die ich je gesehen habe.“

Dienstag, 26. Mai 2009

Schönheit ist das Lächeln des Unbekannten, dem wir uns vertraut fühlen. Es ist die Wärme einer Sommernacht, die nie endet, und deren Endlosigkeit wir fürchten. Wir suchen Geborgenheit und finden sie nirgends. Immer nur da, wo wir sind. Unser Schatz sind wir selber, und unser Sinn dafür, die Dinge zu nehmen, als was sie sich uns präsentieren- Es steckt in dem kleinen Begriff, das Präsent. Das Geschenk. Was sich uns präsentiert, bietet sich an. Wir können annehmen oder ablehnen, aber immer sind wir es, die entscheiden.
Du kannst mein Lächeln erwidern oder wegsehen. Es ist in Ordnung, wenn es für dich in Ordnung ist. Taucht eine Spur des Zweifels auf, kannst du dich korrigieren.
Was unbekannt war, wird schön durch das Lächeln, das in der Entdeckung steckt. Der Duft quillt aus einer Knospe, wenn sie platzt. Das Schöne vergeht im Wandel der Erscheinung. Dein Lächeln bleibt.
Erinnerung ist Fluch und Segen, Lust und Last. Was machst du mit ihrem Lächeln? Erwiderst du es, schlägst du die Augen nieder? Was es auch ist, es bist du.
Du brauchst nicht zu lächeln, wenn du traurig bist, und nicht zu trauern mitten in deiner Fröhlichkeit. Ehre den Schmerz anderer einfach durch dein Schweigen, wo es hingehört.
Das Leben schwingt auf und ab in den Wellentälern der Unendlichkeit. Sie tragen dich zu dem Unbekannten, das du bestaunst. Und du erfährst die Schönheit des Lebens, wenn ihr euch beide anlächelt.

Montag, 25. Mai 2009

Sommer ist die Zeit, in der das Gebet des Frühjahrs Antwort erhält. Die Früchte schwellen oder vertrocknen, und worum wir auch gebeten haben, wir erhalten, was möglich ist.
Sommer ist die Erwartung der Wärme, die uns eine den Horizont hinauf kletternde Sonne versprochen hat.
Wir sind Sommertiere, denn jetzt zeigen wir uns dem am ähnlichsten, das wir sind. Wir flüchten aus überhitzten oder überklimatisierten Räumen und werfen die künstlichen Winterfelle von uns.
Am wahrhaftigsten wären wir nackt, aber wer will schon die Wahrheit? Also verzichten wir darauf ebenso wie auf das Nacktsein.
Nackt und ursprünglich.
Die Verbindung zu den Ursprüngen haben wir verloren, darum ist unser Marsch durchs Leben wie der Heimweg eines Volltrunkenen. Schwankend brauchen wir die gesamte Straßenbreite, ohne zu wissen, auf welcher Straße wir unterwegs sind.
Der Regentropfen weiß, dass seine Quelle und Mündung Eines sind. Auch, wenn sie einen Erddurchmesser entfernt liegen mögen.
Wir kennen unsere Quelle nicht, und damit auch nicht unser Ziel.
Der Regentropfen gibt sich dem Wind hin, der ihn in die Wolke atmet.
Wir sind nicht klein genug, um groß sein zu können. So klein wie ein Tropfen im Verhältnis zum Ozean, mit dem er sich eins fühlt, so oft er hinein taucht.
Der Sommer vergeht zum Herbst. Die Frucht weiß als Ziel um die Ernte. Wir kennen das Ziel nicht, weil wir nicht frei sind, uns ernten zu lassen.
Was ist aus dem Winzling geworden, der mit viel zu kurzen Beinchen über den Uferkies rannte, um sich mit kompletter Montur ins Wasser zu stürzen? Dabei stieß er seinen kindlich hellen Siegesruf aus: "Illa, illa!" und niemand weiß heute, was das bedeuten sollte. Niemand hat es je gewusst.
Niemand konnte mich halten, auch mein Vater nicht. Bevor er sein Fahrrad abstellen konnte, aus dessen Kindersitz er mich gerade gehoben hatte, war ich verschwunden. War auf meinem Siegeszug. War im Wasser. War platschnass.
Heute reicht es mir, am Strand zu sitzen und auf das Blinzeln der Wellen im Sonnenlicht zu schauen. Ich freue mich hinter der Sonnenbrille an schönen Körpern, die ins Wasser gleiten, und amüsiere mich verhalten über die Massen, die Acht geben müssen, dass Greenpeace sie nicht zur Rettung der Wale von ihren Strandlaken ins Wasser schiebt. Mit den kleinen Kindern versuche ich, mich am Wachsen ihrer Sandburgen zu freuen, und ihr Umsinken zu betrauern. Versuche wie die Kleinen nur im Augenblick zu sein. Und muss doch immer wieder an die Augenblicke denken, in denen auch ich noch ein Kind war.
Wo ist mein zwingender Zug zum Wasser geblieben? Wer hat ihn mir ausgetrieben? Hat man der Wasserratte so lange eingeredet, dass sie ertrinken würde, bis sie es geglaubt hat?
An all das kann ich mich nicht erinnern. Ich kenne es nur aus den Erzählungen derer, die schon lange keine Kinder mehr waren, als ich diese Freiheit noch genossen habe. Wir vergessen, dass wir frei sind.
Wir hatten ein Geheimnis miteinander, das Wasser und ich. Jetzt haben wir es verschlossen, jeder in sich selbst, vor dem anderen verborgen.
Im Sommer brennen die Wälder schon lange, bevor der erste Funken ins trockene Holz gesprungen ist.
Wir kommen immer zu spät, weil wir nicht begreifen wollen, dass alles zur rechten Zeit geschieht. Es knistert trocken in der Nase bei jedem Atemzug, den ich zwischen den Tannen und Fichten mache. Ausgedörrtes Nadelaroma, konzentriert in den schmalen Blättern, die immergrün sein könnten, wenn nicht die Hitze sie auslaugen würde.
Hinter den zersplitterten Ferngläsern unserer Betrachtungsweisen sammelt sich das Licht zu Brennpunkten, die unseren verdurstenden Wald entflammen. Unseren Wald, den wir vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.
Wir schwenken das Fernrohr vom Boden zum Himmel. Erst wenn die Sonne unsere Netzhaut vom Auge geschmolzen hat, erkennen wir, dass es Dinge gibt, die zu hell sind, um sie zu sehen. Wir geben auf, wo wir teilen sollten. - Auch das Teilen der Last des Lebens kann Freude sein. Wie ist es da erst mit der Lust am Leben!
Wenn ich in den sommertrockenen Wäldern spazieren gehe, in denen mir die Waldmeisterei das Spazierengehen verboten hat, spüre ich beides, Last und Lust. Die Hitze drückt zu Boden, und der Gesang der Sonnenstrahlen lässt die Säfte aufschießen in die Kronen, die in den Himmel ragen.
Im Schatten finde ich Ruhe. Eine Ruhe, die mir zu kühl wird, wenn die Sonne geht und alles nur noch Schatten ist.
Und den Ernst habe ich nie ernst genommen, und die Leichtigkeit nicht leicht. Die Etiketten werden dem Inhalt nicht gerecht, nicht alle Blonden sind blond.
Schwer ist es, es sich leicht zu machen, und nur allzu leicht macht man es sich schwer.
Wenn ich jemand gegenüber Rechenschaft schuldig bin, dann auf keinen Fall dem kleinen, inzestösen Wörtchen man. Von dem es heißt, immer wieder heißt, dass man das nicht so macht.
Mit diesem Man empfinde ich weder Verbundenheit, noch erkenne ich seine irgendwie geartete Autorität an. Autorität hat etwas zu tun mit Autorenschaft, und dieses Man schreibt seine Stücke nicht selber, sondern lässt sich von der Masse schubsen, wohin die Masse wogt. Wer im Meer der Masse schwimmt, geht unter. jede Welle, die höher steigt als der Durchschnitt, wird von den flacheren Wellenhügeln beargwöhnt, und erst recht von den Wellentälern. Sie nehmen ihre nicht selbstgestrickte Existenz so ernst, dass sie glauben, das Fallenlassen einer Masche würde zum Auflösen all dessen führen, das sie für wichtig halten.
Aber der Ernst wiegt leicht, weil von seinem Gewicht nichts bleibt, wenn wir ihn durchschauen.
Das Man bestimmt den Ernst und beraubt uns unserer Leichtigkeit.
Ich fühle mich lieber leicht als schwer. Schwer ist relativ. Es gibt immer eine größere Masse. Leichtigkeit aber ist die Feder, die davon fliegen kann an jeden Ort. Nirgendwo sein und überall. Der Ernst des Lebens ist leicht.

Sonntag, 10. Mai 2009

Wie weit ist das Zentrum entfernt von der Mitte,
Die Peripherie vom Rand?
Wie weit das Leben vom Tod,
Der Schein vom Sein?

Dienstag, 28. April 2009

STAND DER DINGE
Vergänglichkeit
Frisst die Lebendigkeit.
Das Sein gebiert den Tod.
Doch selbst die längste Nacht
Gleitet in ein Morgenrot.

Montag, 6. April 2009

Hoffnungsschimmer
Wie Sterne hinter Wolkenschwaden.
Der Mond schweigt-
Zu neu, um sich zu zeigen.
Das Licht vergisst sich
In der Dunkelheit.
Und in der Trennung
Welkt die Liebe.
Ich habe mich nach dir gesehnt,
Und Sehnsucht war dein Name.
Ich habe dich bewundert,
Und du warst die Bewunderung.
Wir haben uns geliebt,
Und Liebe nannten wir, wie es war.
Kein Ich.
Kein Du.
Verlieren kann man sich nur,
Wenn man im anderen sich findet.

Sonntag, 5. April 2009

Dreh dich im Kreis
Wenn du magst.
Steh still im Kreis
Wenn du magst.
Schau zu mir auf
Wenn du magst.
Sieh auf mich herab
Wenn du magst.
Schrei ganz laut
Wenn du magst.
Schrei stumm
Wenn du magst.
Geh von mir fort
Wenn du magst.
Geh mit mir fort
Wenn du magst.
Halt still
Wenn du magst.
Halt es nicht aus
Wenn du magst.
Sieh dich satt
Wenn du magst.
Schließ die Augen
Wenn du magst.
Es ist dir egal
Wenn du magst.
Oder ganz wichtig
Wenn du magst.
Was es auch ist,
Das du magst,
Lass zuerst immer
Dich das sein
Was du magst.
Wenn du magst.

Motto

Lisboa, Lisboa, Portugal
“The aim of life is self-development. To realize one's nature perfectly--that is what each of us is here for. People are afraid of themselves, nowadays. They have forgotten the highest of all duties, the duty that one owes to one's self.” Oscar Wilde